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Friedel Geratsch – Mit dem Abstand der Jahre (2021)

Eigentlich, so sagte er vor einiger Zeit, eigentlich wolle er sich zur Ruhe setzen. Doch das wird wohl nichts. Und das ist auch gut so. Friedel Geratsch ist sicherlich kein Mann, der entspannt im Sessel sitzen und Briefmarken sortieren kann. Dazu ist der Musiker, der in Essen aufwuchs, in Bochum lebte und der seit 1964 Gitarre spielt, viel zu hibbelig und viel zu kreativ und steckt ständig voller Überraschungen. Im vergangenen Jahr erst hatte der umtriebige Cigarbox-Player (gemeinsam mit Adi Hauke) ein beachtliches Musikwerk vorgelegt, nämlich die Bluesrock-Knaller-CD „Lustige Zeiten“. Nun, ein Weilchen weiter, heißt es bei Geratsch: „Mit dem Abstand der Jahre“ (Yellow Snake Records). Und das Besondere: Es ist dies seine erste Solo-Veröffentlichung unter seinem eigenen Namen.

 

Wer Geratsch kennt, weiß um seine Geier-Sturzflug-Vergangenheit, weiß auch um sein Können, zugespitzte Texte und gefühlsbestimmte Klänge zu geerdeten knackig-kraftvollen Songs zu verdichten, die nicht immer nur ein Lächeln auf des Hörers Lippen zaubern, sondern auch feste unter die Haut gehen können. Die aktuellen Songs nun sind melancholischer, sind geprägt von Erinnerungen, von Eingeständnissen, von Einsichten. Aber keine Bange, Geratsch bleibt nicht im Gestrüpp der Rückbesinnungen hängen. Es ist eben der Abstand der Jahre, der bei ihm zur Nachdenklichkeit führt. 16 Titel und rund 52 Minuten legt er eine sympathische lässige Abgeklärtheit an den Tag, mit der er sich und uns klarmacht, das Leben bewusst zu genießen und stets nach vorn zu schauen, „weil man die Milch nicht mehr aus dem Kaffee nehmen kann“.

 

Musikalisch beschenkt uns Friedel Geratsch (Cigarbox-Gitarren, Bluesharp, Kofferdrum) mit einer enorm eindrucksvollen und stilistischen Vielfalt: Rockt rockig, rockt bluesig, rockt rock`n`rollig. Er gönnt sich und uns kaum eine Pause zum Durchatmen, denn für ihn und seine Sidekicks (Stephan Schott, Drums, Thomas Passmann-Engel und Pascal Cherouny, Bass) geht es schließlich auch immer nur in eine Richtung, nämlich nach vorn.